Rennen

Vom Corso Pilota nach Le Mans

Text: Ben Barry

Vor 2020 beschränkten sich Custodio Toledos Rennsporterfahrungen auf Rennen auf der Go-Kart-Bahn. Dieses Jahr gibt der Softwareunternehmer sein Debüt bei den 24 Stunden von Le Mans und fährt einen Ferrari 296 GT3 mit dem Team Richard Mille AF Corse.

Der 55-Jährige verdankt seine Entwicklung vom Amateur zum mehrfachen Rennsieger dem Corso Pilota – Ferraris Programmserie mit zweitägigen Fahrkursen.

Die Reise beginnt im Jahr 2019. Nach fast zwei Jahrzehnten harter Arbeit verkaufte Toledo das Softwareunternehmen, das er in seiner Wahlheimat Miami mitbegründet hatte. Zur Belohnung gönnte er sich einen 488 GTB – seinen ersten Ferrari.

Im Oktober 2020 meldete sich Toledo für das Corso Pilota Sport-Programm im Thermal Club in Palm Springs an, um seine Fahrkünste zu verbessern. Der zweitägige Kurs war eine Einführung für Anfänger in das Hochleistungsfahren und umfasste Einzelunterricht, schnelle Runden, Übungen zur Fahrzeugkontrolle und eine Einführung in die Telemetrie. Toledo war begeistert.

„Es war das erste Mal, dass ich mit einem Ferrari auf der Rennstrecke gefahren bin. Ich fühlte mich wie im Himmel“, erinnert er sich.

Jener Tag Ende 2020 war für ihn ein augenöffnendes Erlebnis: „Die wichtigste Erkenntnis war, wie sehr man Ferraris bei hoher Geschwindigkeit vertrauen kann, besonders beim Bremsen – das hat mir wirklich geholfen, zu verstehen und zu schätzen, was ein Ferrari leisten kann.“

Ein erster Hinweis auf Toledos Naturtalent war sein Sieg beim Zeitfahren am Kursende.

Toledo debütierte bei der Ferrari Challenge 2022 und nahm mit Lilou Wadoux und Riccardo Agostini an Le Mans 2025 teil

Im Mai 2021 absolvierte Toledo den Fortgeschrittenenkurs auf dem Circuit of the Americas (CoTA), wo er die bisher erlernten Fahrtechniken vertiefte und um Fähigkeiten wie das Trail-Braking und eine noch bessere Fahrzeugkontrolle erweiterte. Unmittelbar danach begann er mit dem Evolution-Kurs.

Dadurch konnte er zuerst ein Straßenauto und dann ein Challenge-Rennauto direkt hintereinander fahren, doch es war eine Fahrt als Beifahrer, die ihn am meisten beeindruckte: „Ich erinnere mich, wie erstaunt ich war, wie viel Leistung ein professioneller Fahrer auf der Formel-1-Strecke aus dem Challenge-Auto herausholen konnte“, erinnert er sich.

Entschlossen, an Rennen teilzunehmen, absolvierte Toledo im Dezember 2021 das Corso Pilota Race-Programm – sein letzter Schritt vor dem Wettkampf. Der zweitägige Kurs konzentrierte sich auf Rennszenarien wie rollende Starts und die Verfeinerung der Renntechnik.“

„Vor Corso Pilota war ich im Grunde nur ein Motorsportfan ohne konkrete Rennsport-Fähigkeiten“, erklärt Toledo. Im Laufe der vier Module habe ich viel Erfahrung gesammelt und Selbstvertrauen gewonnen – und verstanden, wie man ein Rennauto fährt.“

Bei seinem Debüt 2022 in der Pirelli-Am-Kategorie der Ferrari Challenge North America hinterließ er sofort einen bleibenden Eindruck: Am ersten Rennwochenende auf dem COTA belegte er den zweiten Platz, qualifizierte sich in Watkins Glen für beide Rennen auf der Pole-Position und sicherte sich seinen ersten Sieg in Imola bei den Finali Mondiali.

Toledo bewundert seine Wahlheimat Miami mit seinem Ferrari 296 GTB

2023 folgte der Aufstieg in die Ferrari Challenge Pirelli-Kategorie und 2024 wechselte Toledo mit dem 296 GT3 in den Mehrmarkenwettbewerb. Im vergangenen Jahr standen die GT World Challenge America, die Asian Le Mans Series, die European Le Mans Series und der Michelin Le Mans Cup auf dem Programm – wo Toledo mit seinem Co-Pilot und Trainer Riccardo Agostini den zweiten Platz der Meisterschaft belegte.

Doch 2025 ist das Jahr, in dem es wirklich ernst wurde. Im Januar bestritt Toledo zusammen mit Agostini, Conrad Laursen und dem Ferrari-Werksfahrer Arthur Leclerc die IMSA 24 Stunden von Daytona und erreichte in der GTD-Klasse den siebten Platz. Somit zählt er zu den besten Ferrari-Teilnehmern.

Nun hat Toledo seinen Traum verwirklicht, in Le Mans anzutreten: Am Steuer seines 296 GT3 war er neben den beiden offiziellen Ferrari 499P Hypercars Teil der Startaufstellung.

„Wenn ich auf die vergangenen vier Jahre zurückblicke, ist das wirklich beeindruckend“, resümiert er. „Von völliger Unerfahrenheit im Rennsport zur Teilnahme an den Rennen und Meisterschaften, an denen ich dieses Jahr teilnehme – ein unglaublicher Weg. Es ist ein wahres Privileg und Ergebnis der fantastischen Programme, die Ferrari für alle bietet, die Rennen fahren möchten.“

Vom Corso Pilota nach Le Mans in weniger als fünf Jahren klingt wie ein unmöglicher Traum. Custodio Toledo hat ihn verwirklicht.